Die Zinswende kommt: (k)ein Grund zur Panik?

Es ist jetzt relativ genau ein Jahr her, dass ich mich um meine Finanzierung gekümmert habe. Damals redete noch jeder von einer „zinslosen Dekade“ und ich habe im Artikel zu meiner Finanzierung noch großspurig gemeint, dass 3% Zinsen eher unwahrscheinlich sind. Die Aussage ist ziemlich schlecht gealtert, tatsächlich hat es nicht einmal ein halbes Jahr gedauert bis sie überholt war. Heute muss man dank Inflation und Zinswende zur Bekämpfung selbiger für neue Finanzierungen eher mit circa 4% und höher rechnen, sehr volatil und Tendenz steigend. Die letzten Monate finden sich auch immer wieder Forenbeiträge der Sorte „Hilfe, ich habe nur 10 Jahre finanziert“. Das sollte mich auch betreffen, oder?

Abgerechnet wird zum Schluss

Eigentlich endet eine Argumentation mit dem stärksten Punkt, heute will ich es aber anders machen. Denn streng genommen ist egal, was die Zinsen in 2022 machen. Auch was in 2023, 2024 oder 2025 passiert. Für 10 Jahre ist der Zinssatz fixiert und eine Entscheidung muss ich erst einmal nicht treffen.

Relevant sind nur die letzten Jahre. Ein Forward-Darlehen ist bis zu 5 Jahre vorher möglich, wirklich sinnvoll sind die Konditionen meistens erst etwa 3 Jahre vorher. Das bedeutet, es lohnt sich erst ab ca. 2027 das Thema Anschlussfinanzierung genau zu beleuchten. Vorher kann man ohnehin wenig tun.

Und in der Zwischenzeit kann viel passieren. Die Zinsen mögen steigen, sie können aber auch wieder fallen. Wer weiß schon, welche Krise im Jahr 2029 kommt und die Notenbanken zum Gelddrucken zwingt?

Die Restschuld bestimmt das Risiko

Böse Zungen könnten den vorherigen Abschnitt als Durchhalteparole abstempeln. Aber eine Anschlussfinanzierung wird immer von zwei Faktoren bestimmt: dem Zinssatz und der Restschuld. Bei einer geringen Restschuld treffen einen hohe Zinssätze viel weniger schwer. Ein Problem haben hier alle, die die niedrigen Zinsen dazu genutzt haben, Immobilien über ihrer Preisklasse zu kaufen. Sei es sehr groß, teuer ausgestattet oder einfach in einer teuren Lage. Konstruktionen mit 2% Tilgung und weniger lassen eine große Restschuld übrig.

Mit 3-4% Anfangstilgung sieht das doch deutlich anders aus. Hier ist über den Daumen gepeilt mit einer Restschuld von etwa der Hälfte zu rechnen, die 3% Anfangstilgung sind also (bei gleichem Zinssatz) 6% Anschlusstilgung. Das lässt schon einmal viel Luft für mögliche Zinserhöhungen bei gleicher Rate, ohne dass gleich die Laufzeit durch die Decke geht.

Es hilft an der Stelle auch mal nüchtern zu bleiben und sich die Thematik durchzurechnen. Eine Zinssteigerung von unter 1% auf über 3% klingt erst einmal viel. Bei mir ist bei 3% aber gerade mal der Gleichstand mit den längeren Laufzeiten erreicht, denn der Zins der Anschlussfinanzierung bezieht sich eben nur noch auf die geringere Restschuld. Die Jahre davor – mit hoher Schuld – hat man von niedrigen Zinsen profitiert und konnte mit der Zinsersparnis tilgen. Mit 20 Jahren Zinsbindung hätte ich diesen Zins also auf jeden Fall bezahlt. Ein Zins von 3% ist in diesem Fall zwar das ungünstigere Geschäft, aber kein Beinbruch. Ein halbes Prozent über Break-Even wäre bei einer Restschuld von 200 000€ ein Tausender im Jahr oder gute 80€ im Monat. Definitiv kein Schreckensszenario. Bei deutlich höheren Zinsen – sagen wir mal 5% oder 8% – kann man ein Szenario mit langfristig hoher Inflation voraussetzen.

Die Inflation hilft (vermutlich und langfristig)

Es wird oft gesagt, dass die Inflation vorteilhaft für alle wäre, die Schulden haben, weil die Schulden weniger wert werden. Das ist richtig und falsch zugleich. Falsch ist es aus mehreren Gründen. Erstens bedeutet Inflation höhere Lebenshaltungskosten: Sprit, Strom, Heizung, Lebensmittel, Reparaturen am Haus, … wird alles teurer. Die Rate muss aber trotzdem bedient werden. Kurzfristig ist Inflation kein Vorteil. Zweitens nimmt die Aussage an, dass die Einkommen mit der Inflation steigen. Kurzfristig sieht das eher schlecht aus, schließlich leiden auch Unternehmen unter höheren Kosten und der voraussichtlich durch die Zinswende verursachten Rezession. Und selbst wer höhere Gehälter durchgesetzt bekommt, er bräuchte die Inflationsrate netto und nicht nur brutto. Langfristig ist aber davon auszugehen, dass die Gehälter etwa mit der Inflation steigen, denn irgendwer muss die Sachen auch kaufen.

Nicht statisch denken

In vielen Köpfen herrscht die Idee vor, dass man einmal eine Rate fürs Haus festlegt und diese dann bis zum Ende unverändert zahlt. Nach 10 Jahren ist in der Regel das eigene Einkommen gestiegen, sei es durch allgemeine Steigerung oder beruflichen Aufstieg. Warum also nicht die Rate erhöhen?

Statisches Denken sieht man auch beim Thema Risiko. Das Zinsänderungsrisiko wird breit diskutiert, aber sonst geht man davon aus, dass das Leben so bleiben wird. Die wirklich gefährlichen Risiken für eine Immobilienfinanzierung sind aber andere: Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Scheidung, Tod. Was nützt die 30-jährige Zinsbindung, wenn nach 5 Jahren der Hauptverdiener stirbt oder berufsunfähig wird und der Kredit nicht mehr bedient werden kann? Oder wenn eine Immobilie gemeinsam gekauft und finanziert wird und man sich bei der Scheidung nicht einig wird? So manche Branche und Region hat auch in 10 oder 20 Jahren schon ihren Niedergang erlebt.

Das Risiko kontrollieren

Wie vorhin ausgeführt … das Risiko bestimmt sich aus Restschuld und Zinssatz. Am Zinssatz kann man als Einzelner recht wenig ändern. Im besten Fall bietet sich 2-3 Jahre vor der Anschlussfinanzierung ein Forward-Darlehen an. Das setzt günstige Zinssätze voraus und ist entsprechend schwer planbar, aber es lohnt sich auf jeden Fall die Augen offenzuhalten. Das Leben ist ein Auf und Ab und die nächste Krise mit entsprechender Intervention der Notenbanken kommt bestimmt.

Der größere Hebel beim Risiko ist entsprechend die Kontrolle der Restschuld. Diese lässt sich am einfachsten über eine Sondertilgung reduzieren. Vorteil: Das Geld ist definitiv für den Kredit eingesetzt. Der Nachteil: Man hat die Sondertilgung auch gemacht, wenn bei der Anschlussfinanzierung günstige Zinsen herauskommen. Und die aktuellen Zinssätze motivieren eher weniger zur Sondertilgung. Ich habe entsprechend gar keinen Wert auf Sondertilgungen gelegt und auch gar keine.

Hier kann die Zinswende auch etwas Gutes haben. Mittlerweile liegen die Zinsen für Festgeld teilweise schon recht deutlich über den alten Kreditzinsen, sodass man statt eine Sondertilgung das Geld auch einfach als Festgeld anlegen könnte und damit später den Kredit ablösen. Der große Nachteil: Das Geld kann immer noch zweckentfremdet werden. Und bei 8-10% Inflation sind 1,5% Zins jetzt nicht der Brüller. Der Vorteil: Man bleibt flexibel in der Frage, ob man mehr tilgt als geplant.

Ein kritischer Punkt bei der Anschlussfinanzierung ist, dass man vom Zeitpunkt recht festgelegt ist. Man kann lediglich früher über ein Forward-Darlehen den Zins festschreiben. Man hat aber kaum eine Möglichkeit, die Fälligkeit zu verschieben. Deshalb ist es wichtig, dass man die Jahre vorher gut schaut, wie sich die Situation entwickelt und dann entsprechend reagiert.

Für mich ist das alles noch ein bisschen Zukunftsmusik. Erst einmal das Haus fertig bekommen, einziehen und dann die Außenanlagen machen, möglichst ohne das Budget zu überziehen. Am Anfang geht auch noch einiges Geld für Kleinigkeiten drauf: Hier noch ein neuer Schrank, da der Rasenmäher, usw. Erst danach lohnt es sich wirklich zu schauen, wie ich das Thema mittelfristig angehe. Und richtig ernst wird es erst in circa 5 Jahren.