Kleiner Exkurs: Natur oder Kultur?

Während der Estrich vor sich hin trocknet, im heutigen Artikel mal ein Thema, das auf den ersten Blick überhaupt nichts mit Hausbau zu tun hat, aber irgendwie dann doch. In der Bücherei ist mir ein Buch in die Hände gefallen, das ich sicherlich nicht gekauft hätte, aber doch unglaublich spannend fand und das auch wunderbar zu unserem Garten passt. Und zwar handelt es sich um eine Reise zu mageren Standorten, natürlicher Sukzession und großer Gleichmacherei in der Geschichte der Kulturlandschaft.

Kultur

Ohne den Eingriff des Menschen würde an jedem Standort die natürlicherweise zu diesem Standort passende Vegetation vorherrschen. In Mitteleuropa wäre dies auf den meisten Standorten Laubwald. Noch eine kleine Anmerkung hierzu: man sollte sich den Wald nicht wie heutige Wälder vorstellen. Die Präsenz großer Pflanzenfresser führte dazu, dass der Wald deutlich weniger dicht wird und auch immer wieder Lücken für Pionierarten entstehen.

Mit dem Ackerbau greift der Mensch gezielt und großflächig in die Natur ein und gestaltet sie um. Die ersten Spuren von sesshaften Bauern finden sich in Gegenden mit fruchtbarem Boden, doch dabei bleibt es nicht.

Als Kind der Moderne vergisst man sehr leicht, wie weit sich vermeintlich naturnahe Landschaften wie Wälder und Felder vom Ursprung entfernt haben und wie unfruchtbar viele Böden sind. Häufig sind sie nach einer Rodung nur für 1–2 Jahre wirklich ertragreich. Als Düngung steht lediglich Mist zur Verfügung, jedoch in sehr begrenzten Mengen. So entwickeln sich in vielen Gegenden angepassten Formen der Bewirtschaftung.

In manchen Gebieten lässt man die Felder brach fallen und entsprechend der natürlichen Sukzession verbuschen, bis nach Jahrzehnten der Wald wieder gerodet wird und der Kreislauf von vorne beginnt. Wobei die natürliche Sukzession dann doch nicht ganz so sich selbst überlassen wird, häufig werden diese Wälder beweidet, für Laubheu oder Einstreu genutzt, sodass sich die Entwicklung nicht ganz natürlich darstellt.

Anderswo wird die Nutzung nicht zeitlich, sondern räumlich unterteilt. Ein Teil der Fläche wird als Heuwiese bewirtschaftet, typischerweise mit zweifacher Mahd. Andere, noch weniger fruchtbare Gebiete, werden als Streuwiesen bewirtschaftet und nur einmal im Herbst gemäht.

Dazu kommen andere Aspekte der Landnutzung, die sich heute nicht mehr finden. Steinriegel oder Hecken trennten Felder voneinander und Felder von Weiden. Von Hand kann man nur deutlich kleinere Flächen bewirtschaften als mit Traktoren, entsprechend waren Felder deutlich kleiner.

Und auch wenn heute noch Kühe auf der Weide stehen, früher wurde deutlich mehr beweidet. Die ganzjährige Stallhaltung ist eher eine neuzeitliche Erfindung, die mit dem Anbau von Futterpflanzen in der verbesserten Dreifelderwirtschaft aufkam. Denn ein Tier auf der Weide versorgt sich selbst. Das betrifft auch nicht nur Kühe, vor allem Schweine wurden früher im Wald mit Eicheln gemästet.

Heute sieht alles anders aus: Fluren wurden bereinigt, damit man mit großen Maschinen arbeiten kann, Moore und Sümpfe wurden trockengelegt, durch Kunstdünger wird praktisch jeder Boden nährstoffreich. Und auch wenn Bewässerung in Deutschland noch nicht so verbreitet ist, auch damit lässt sich der Natur auf die Sprünge helfen. Angebaut werden Monokulturen, das Saatgut ist ordentlich gereinigt und unkrautfrei. Und den restlichen Unkräutern macht man mit der Giftspritze den Garaus.

Natur?

Warum erzähle ich das alles? Wer aufpasst, der hat bestimmt an einigen Stellen schon Ähnlichkeiten bemerkt. Die Pflege einer zweischnittigen Blumenwiese entspricht sehr stark dem Heuen. Einschnittige Magerstandorte und Säume sind der Streuwiese sehr ähnlich. Trockenmauern und Steinriegel sind sich sehr ähnlich. Setzt man eine Hecke regelmäßig auf den Stock, simuliert man das Schneiteln und die Brennholzgewinnung. Kurz gesagt, der Naturgarten simuliert eine Kulturlandschaft von gestern.